Ein Weihnachtsbaum, zwei Kontinente und eine Verbindung
Freunde haben uns vor ein paar Tagen nebenbei erzählt, dass sie am Wochenende, wie jedes Jahr, ihren Weihnachtsbaum holen würden. Und ganz spontan fragte ich, ob wir zum Baumaussuchen mitkommen dürften.
Als Kind hatte ich in meinem Heimatland Kolumbien immer nur Plastikmodelle von Tannenbäumen oder – noch bunter und glitzernder – Lametta-Tannenbäume. Mit einer Ausnahme. Aber dieser „echte“ Weihnachtsbaum – das war schon ganz, ganz lange her: Ich war fünf Jahre alt. In Kolumbien herrschten um die Weihnachtszeit fast 28 Grad und wir hatten tatsächlich einen echten, wirklich echten Weihnachtsbaum! Die Details, der Platz im Haus – ich hatte plötzlich alles wieder genau so vor Augen, als wäre es erst gestern gewesen.
Plötzlich ganz überwältigt von den schönen Erinnerungen, fragte ich meinen Vater danach: „Hatten wir nicht in dem Haus dort einen Baum, den du aus dem „Wald“ mitgebracht hast?“ Er war sehr erstaunt: „Ja, wie kannst du dich daran erinnern? Du warst doch noch so klein!“ Ja, auch in Kolumbien durften wir solche Bäume zwar eine Zeit lang mit nach Hause, in die Wohnzimmer nehmen – aber da keiner so nachhaltig wie hier in Deutschland neue Bäume für die gefällten Tannen gepflanzt hat, war damit irgendwann Schluß.
Damals habe ich nicht verstanden, warum wir keine echten Weihnachtsbäume mehr haben konnten. Ich war so traurig. Aber klar, auch ich habe mich mit der Zeit erst an den Lametta-Baum in türkis (!) und ein paar Jahre später an den „fast echten“ Plastik-Weihnachtsbaum gewöhnt. Der sah nach 30 Tagen immer noch wunderbar grün aus und kam nach dem 6. Januar – denn da ist finito mit der ewigen Weihnachtsfeier in Kolumbien – ordentlich geputzt in einen Karton und verschwand für die nächsten 11 Monate irgendwo im Haus bis zur nächsten Weihnachtszeit. Als wir nun hier in Deutschland draußen waren und diese wunderschönen Weihnachtsbäume zum Mitnehmen sahen, war meine Kindheitserinnerung wieder da.
Dieses Jahr werden wir das Fest nicht in Kolumbien verbringen. Tamales, Buñuelos und Natilla, unser traditionelles, kolumbianisches Weihnachtsessen, wird diesmal nicht dafür sorgen, dass wir aus Kolumbien mit ein paar Kilo „Körperübergepäck“ zurückkehren. Stattdessen werden wir mit Freunden hier in Deutschland die Ruhe der heiligen Nacht geniessen und gemeinsam Raclette essen. Das kenne ich noch nicht, daher bin ich ein wenig aufgeregt und gespannt, wie es schmecken wird.
Ich liebe beide Kontinente, bin dankbar für alles Gute und auch die Herausforderung, die diese zwei ganz unterschiedlichen Kulturen mit sich bringen, oder besser, zu bieten haben. Es ist diese besondere Verbindung von Passion, Farbe und Spontanität aus Kolumbien und Disziplin und Struktur aus Deutschland. Beide Kulturen genieße ich.
Egal wo ihr seid, hier in unserer Wahlheimat oder am anderen Ende der Welt: Genießt die Zeit, seid dankbar und freut euch auf das Jahr 2020. Es wird wieder ein Jahr mit einer ganz besonderen Zahl, das garantiert viele Überraschungen, Erneuerungen, Erfolge sowie Herausforderungen bringen wird…
Ich bin bereit. In diesem Sinne – frohe Weihnachten y Feliz Navidad
Viele Grüße.
Eure Tahis González alias Frau Grafica